Ahlen macht sauber: Kläranlage im Millionen-Makeover – Wellnesskur fürs Abwasser
Die gute alte Anlage stammt noch aus den 80er-Jahren. Damals, als Schulterpolster, Dauerwellen und Diskettenlaufwerke als modern galten. Seitdem hat das Beton-Monument brav Millionen Liter „Ahlen-Suppe“ gereinigt. Doch jetzt reicht es nicht mehr. Neue EU-Vorgaben verlangen, dass das Wasser nicht nur nach Wasser aussieht, sondern auch fast so riecht. Mikroschadstoffe und Medikamentenreste sollen künftig rausgefiltert werden. Sprich: Bald landet die Aspirin nicht mehr im Fluss, sondern wird mit deutscher Ingenieurskunst weggefiltert – damit die Fische nicht länger schmerzfrei, aber orientierungslos durch die Werse schwimmen.
Natürlich ist das Ganze nicht nur ein bisschen Umbau, sondern ein Millionenprojekt. Und weil in Ahlen immer alles gründlich läuft, hat man sich gleich bis 2029 Zeit genommen. Das sind satte sechs Jahre Baustellenromantik: Bagger im Morgennebel, Presslufthämmer im Dreivierteltakt, und eine Lokalzeitung, die alle drei Monate jubelt: „Fortschritte sichtbar!“
Die vier Bauabschnitte lesen sich wie das Inhaltsverzeichnis einer epischen Fantasy-Saga: Neubau von Nachklärbecken (Teil I), Errichtung einer Belebungsstufe (Teil II), Umbau zur vierten Reinigungsstufe (Teil III), und schließlich die große Geruchsminderung durch Sandfangabdeckung (Finale). Man wartet eigentlich nur darauf, dass jemand mit Zauberstab und Orkmaske vorbeikommt.
Das Beste: Alles passiert im laufenden Betrieb. Während die Anlage fröhlich weiterblubbert, wird sie gleichzeitig zerlegt und neu zusammengesetzt. Es ist, als würde man während der Autofahrt die Reifen wechseln, den Motor austauschen und die Klimaanlage optimieren – ohne das Ziel aus den Augen zu verlieren. Wenn das gelingt, sollte man Ahlen sofort als UNESCO-Weltkulturerbe der Ingenieurskunst anmelden.
Geld spielt natürlich auch eine Rolle: 14 Millionen für die vierte Reinigungsstufe, von denen das Land NRW die Hälfte übernimmt. Plus ein bisschen Fördergeld für Stromsparmaßnahmen, damit die Belüftung der Anlage nicht klingt wie ein Düsenjet. Für Ahlen ist das ungefähr so, als würde jemand in der Nachbarschaft eine Luxusvilla bauen, aber am Ende ziehen Goldfische und Kaulquappen ein.
Und alle Verantwortlichen waren beim Spatenstich dabei, in feierlich ernster Pose: Verwaltung, Umweltbetriebe, Politiker. Man könnte fast meinen, es handelte sich um die Grundsteinlegung für den Berliner Flughafen 2.0 – nur mit weniger Glamour und mehr Gummistiefeln. Jeder durfte eine Rede halten: Von „großer Planungsleistung“ über „Investition in die Zukunft“ bis zu „mutiges Angehen der Herausforderung“. Übersetzt heißt das: „Teuer, nervig, lange Baustelle – aber irgendwann läuft das Wasser wieder wie geschmiert.“
Am Ende bleibt das Fazit: Ahlen baut sich eine Kläranlage, die moderner ist als so mancher Neubau im Silicon Valley. Während anderswo noch überlegt wird, ob man Regenwasser sammeln soll, filtert man hier schon Mikroschadstoffe aus dem Espresso-Restwasser. Wenn das mal keine Zukunftsmusik ist.