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Als das Ordnungsamt die Welt rettete – ein Vormittag zwischen Pferdemist und Herzstillstand

Warendorf. Montagmorgen, 9 Uhr. Während anderswo die zweite Tasse Kaffee noch um Aufmerksamkeit kämpfte, hatte sich im ehrwürdigen vierten Obergeschoss des Kreishauses bereits eine kleine Schar entschlossener Lokalheldinnen und -helden versammelt: der Ausschuss für öffentliche Ordnung und Bevölkerungsschutz zur letzten Sitzung der Wahlperiode.

Als das Ordnungsamt die Welt rettete – ein Vormittag zwischen Pferdemist und Herzstillstand

Die Luft vibrierte förmlich vor Bedeutung – oder vielleicht war es auch nur der Beamer, der seit 2014 ein leises Summen als Hintergrundmusik pflegte.

Die Einwohner schwiegen – und die Demokratie gönnte sich eine Atempause

Der Tag hatte mit der „Fragestunde für Einwohnerinnen und Einwohner“ begonnen, jenem demokratischen Hochamt der Basisbeteiligung, das meist mehr Stühle als Stimmen sah.
Auch diesmal meldete sich niemand. Keine Frage, kein Vorschlag, kein Unmut.
Die Demokratie durfte also einmal kollektiv durchatmen, während die Ausschussmitglieder in aller Ruhe ihre Tagesordnungen sortierten, Kaffeetassen positionierten und innerlich in den Einsatzmodus wechselten: Tierische Nebenprodukte, Herzstillstände, Intensivtransporte – die große Dreifaltigkeit des kommunalen Alltags.

Wenn der Hund zur Schokolade wurde und der Pferdemist Karriere machte

Dann begann der inoffizielle Höhepunkt des Vormittags: der Bericht über „Tierische Nebenprodukte“.
Ein Fachmann aus der Verwaltung hatte sich vorbereitet und präsentierte, was man gemeinhin nur in zoologisch-bürokratischen Träumen zu hören bekam. Schon bald folgten die ersten Fragen – etwa zur Zertifizierung von Hundeschokolade.
Hundeschokolade! Ein Wort, das selbst den geübtesten Verwaltungsprofi kurz innehalten ließ. Doch die Antwort kam routiniert: Es gebe dafür Verfahren, Prüfstellen und vermutlich auch ein Formular. Die Demokratie funktionierte, und sie schmeckte nach Kakaoersatz.

Kurz darauf wanderte das Thema gen Holland – zur Prüfung von Pferdemist.
Ja, der Mist wurde geprüft, dort, wo man bekanntlich mit Windmühlen, Fahrrädern und Effizienz umzugehen wusste. Europa wuchs also weiter zusammen, auch über Stallgrenzen hinweg.

Dann ging es ums Vergraben von Heimtieren. Die frohe Botschaft des Tages: Keine Größenbeschränkung!
Wer kein Wasserschutzgebiet im Garten hatte, durfte von der Katze bis zum Bernhardiner alles in Ehren bestatten. Ein Sieg der bürgernahen Verwaltung – und der Spatenfraktion.

Zum Schluss fragte jemand, ob Pferdefleisch eigentlich noch in Zoos verfüttert werden dürfe.
Die Antwort: grundsätzlich ja, aber meistens nein – dank Medikamentencocktail und EU-Verordnung. Pferde wurden also zu Nicht-Lebensmitteln erklärt, was immerhin tröstlich klang. Auch ein Ross hatte schließlich ein Recht auf Würde.

Die Ausschussrunde nickte verständnisvoll, und für einen kurzen Moment schien es, als hätte Warendorf die Welt des Tierreichs befriedet.

Herzstillstand? Kein Stillstand in der Diskussion

Nach so viel zoologischem Tiefgang schlug das Gremium den Bogen zum Menschen – genauer: zum Qualitätsmanagement beim außerklinischen Herz-Kreislauf-Stillstand.
Ein Experte erläuterte Zahlen, Quoten und Abläufe, während die PowerPoint-Pfeile über die Leinwand flogen.

Es wurde über Lebend-Entlassungsraten gesprochen: nach 24 Stunden, nach 30 Tagen und sogar langfristig. Wer da noch tot blieb, hatte es statistisch gesehen wirklich schwer.

Eine Ausschussstimme mahnte, man dürfe den Krankenhäusern mit der Datenerfassung keine zusätzliche Bürokratie aufbürden. Vielleicht könne man ja alles mit der elektronischen Patientenakte verknüpfen.
Die Idee war brillant – nur leider Zukunftsmusik. Denn während draußen schon Busse elektrisch fuhren, faxte das Gesundheitswesen noch mit Leidenschaft.

Positiv hervorgehoben wurde dagegen die Idee, Erste-Hilfe-Unterricht schon in Schulen einzuführen. Hemmschwellen abbauen, Leben retten, Schulsanitätsdienst deluxe.
Man befand sich allerdings noch in der Planungsphase, jenem Zustand zwischen Vision und Verwaltung, der in Deutschland gelegentlich Jahrzehnte überdauerte.

Schließlich fragte jemand nach der geplanten Smartphone-App zur Ersthelfer-Alarmierung.
Die Antwort: Sie komme. Bald. Vielleicht noch dieses Jahr, vielleicht mit dem nächsten Betriebssystem. Man müsse sich zunächst mit den First-Responder-Einheiten abstimmen, aber die Technik entwickle sich ja weiter.
Ein anderer ergänzte optimistisch, dass die Auftragsvergabe „noch in diesem Jahr beabsichtigt“ sei – ein Satz, der in Verwaltungskreisen ungefähr so viel Spannung erzeugte wie in Hollywood der Satz „Fortsetzung folgt“.

Alles in allem: Hoffnung, Fortschritt, Herzblut – im wahrsten Sinne.

Der große Wurf auf vier Rädern

Dann kam er, der letzte Tagesordnungspunkt: die Gründung einer Trägergemeinschaft für den bodengebundenen Intensivtransport.
Das klang nach Formularstapel, war aber in Wahrheit pure Kooperation. Mehrere Kreise und eine Stadt wollten künftig gemeinsam schwerstkranke Menschen befördern.
Bislang hatte man dafür reguläre Rettungswagen genutzt – was bedeutete, dass irgendwo jemand mit Blaulicht und schlechtem Gewissen stehen blieb, weil gerade eine Intensivfahrt Vorrang hatte.

Nun sollte ein eigener Intensivtransportwagen her, stationiert in Münster, bezahlt über Rettungsdienstgebühren. Ein kommunales Meisterwerk in Sachen Pragmatismus – oder, wie man in Warendorf sagen würde: „Passt scho.“

Das Abstimmungsergebnis war ein Traum: 16 Ja-Stimmen, null Nein, null Enthaltung, null Befangenheit.
Ein einstimmiges Hoch auf die Vernunft, die Solidarität und auf jenen magischen Moment, in dem Bürokratie tatsächlich Einigkeit erzeugte.

Man sah förmlich, wie sich die Aktenordner gegenseitig zunickten: Wir schaffen das.

Der Abschied: Zwischen Rührung und Restkaffee

Nach gut anderthalb Stunden reiner Kommunaldramatik schloss die Vorsitzende die Sitzung.
Es war die letzte dieser Wahlperiode, und ein Hauch von Nostalgie wehte durch den Raum.
Man dankte einander für fünf Jahre engagierter Mitarbeit – für Herz, Ordnung, Pferdemist und Bürokratie in Reinkultur.

Draußen schien die Sonne, und man wusste: Es war nicht nur eine Sitzung gewesen. Es war ein Stück Verwaltungslyrik, ein Lehrstück über die Schönheit der kleinen Dinge.

 

So endete ein Montagmorgen im Kreis Warendorf – mit stiller Größe und einem Gefühl, etwas Großes bewegt zu haben. Vielleicht kein Pferd, aber immerhin ein Konzeptpapier.
Die Themen klangen banal, waren aber im besten Sinne banahlenhaft: Menschlich, humorvoll, herrlich systematisch.

Hier hatte Verwaltung gezeigt, dass sie mehr sein konnte als Aktenzeichen. Sie war Herzschrittmacher, Krisenmanagerin und Tierfreundin zugleich.

Und sollte eines Tages wirklich die App für Ersthelfer verfügbar sein, während gleichzeitig der geprüfte Pferdemist digital zertifiziert wird, dann würde man rückblickend sagen:
Diese Sitzung hatte Geschichte geschrieben.

Ordnung kann Spaß machen, Bevölkerungsschutz kann Herz zeigen – und selbst ein Montagmorgen im Kreishaus kann manchmal die Welt ein kleines Stück besser machen.