Berlin – Hauptstadt im Kerzenschein
Rund 50.000 Menschen im Südosten der Hauptstadt durften erleben, wie es sich anfühlt, wenn die Zivilisation kurz Pause macht. Plötzlich wurden Balkon-Grills zum Michelin-Stern-Restaurant, Powerbanks zur Ersatzreligion und Kerzen zu Schwarzmarktware. Wer Glück hatte, fand noch ein Teelicht im Küchenschrank – wer Pech hatte, versuchte verzweifelt, den Toaster über die Autosteckdose zu betreiben.
Ursache des Ganzen war kein Gewitter, kein Eichhörnchen, sondern ein Brandanschlag auf Strommasten. Irgendwer im politisch motivierten Bastelkeller dachte wohl: „Wenn wir schon kein Manifest haben, dann wenigstens ein Feuerchen.“ Ergebnis: dicke Starkstromleitungen verschmort, Feuerwehr im Dauereinsatz, Berliner plötzlich im Kerzenschein vereint. Für die Feuerwehr übrigens eine Stunde Arbeit – für die Berliner eine Ewigkeit ohne WLAN.
Der Nahverkehr zeigte sich solidarisch: Auch Straßenbahnen stellten den Betrieb ein. „Warum soll nur das Licht ausfallen, wenn auch die Bahn stehen bleiben kann?“, so offenbar das Motto. Erst als der Strom wieder kam, rollten M17 und 63 wieder über ihre Schienen – bejubelt wie Helden einer Netflix-Serie, die niemand mehr streamen konnte.
Natürlich wurden sofort Kommissionen gebildet, Sprecher zitierten, Juristen prüften. Das Stromnetz erklärte: „Wir kümmern uns um die Kabel, die Polizei darf die Räuberleiter ins linksextreme Spektrum bauen.“ Ein Bekennerschreiben im Internet soll angeblich authentisch sein – was in Berlin heißt: Es hat mindestens einen Rechtschreibfehler und den obligatorischen Hinweis auf Kapitalismuskritik.
Betroffen war so ziemlich alles, was in einer modernen Stadt nervt, wenn es nicht funktioniert: S-Bahnhöfe, Einkaufszentren, Pflegeheime, Schulen. Letztere blieben geschlossen – vermutlich das einzige Highlight für die Betroffenen. Gleichzeitig war das Handynetz weg. Notrufnummern? Fehlanzeige! Wer in Berlin einen Krankenwagen brauchte, musste ihn entweder mit Rauchzeichen bestellen oder selbst schieben.
Nach zwei Tagen bastelte man eine „Zwischenlösung“ zusammen – klingt nach Gaffa-Tape für Starkstrom: Zwei Leitungen wurden verbunden, damit wenigstens wieder Licht brennt. Die eigentliche Reparatur? Wird irgendwann kommen, verspricht man. Bis dahin darf Berlin stolz auf sich sein: längster Stromausfall seit dem Zweiten Weltkrieg! Ein Eintrag fürs Guinness-Buch der urbanen Improvisationskunst.
Juristen prüfen derweil, ob es Entschädigungen gibt. Aber der Netzbetreiber erinnert vorsichtshalber daran, dass er ja „auch Opfer“ sei. Das ist ungefähr so tröstlich, wie wenn der Bäcker sagt: „Tut mir leid, das Brot ist verbrannt – aber ich hab’s auch nicht gegessen.“
Berlin hat mal wieder bewiesen, dass es die Hauptstadt der Extreme ist. Heute Club-Metropole, morgen Steinzeit. Wer den Strom ausschaltet, legt nicht nur die Kabel lahm, sondern gleich das ganze Narrativ einer „Smart City“. Am Ende bleibt das Gefühl, dass Berlin auch ohne Strom funktioniert – nur eben wie ein Campingplatz mit besonders vielen SUVs.