Skip to main navigation Skip to main content Skip to page footer

Brandmauer aus Pappe: Wie Dortmund versucht, Politik mit Baustellenband zu betreiben

Dortmund, das Labor für kommunale Experimente: Man nehme ein Stadtparlament, gieße eine ordentliche Portion Empörung hinein, garniere das Ganze mit einer „Brandmauer“, die eher nach Gartenzaun mit Sichtschutzfolie aussieht – fertig ist das demokratische DIY-Projekt. Die Idee: Keine Beschlüsse mehr, wenn die Mehrheit nur dank einer bestimmten Fraktion zustande käme. Prinzip Hoffnung: Politik, aber bitte nur mit Menschen, die uns sympathisch sind. Klingt nett. Juristisch leider so stabil wie ein Regenschirm im Orkan.

Brandmauer aus Pappe

Die Nummer lief so: Im Winter der Empfindlichkeiten fasste der Stadtrat einen noblen Vorsatz – so eine Art „Veganuary“ der Demokratie. Man gelobte, künftig nicht mehr von Stimmen zu profitieren, die man ansonsten gesellschaftlich zum Kinder­tisch delegieren möchte. Ein Zeichen setzen! Ein Leuchtturm der Reinheit! Blöd nur, dass das Gesetz nicht nach Innenarchitektur fragt, sondern nach Gleichbehandlung. Demokratie ist eben nicht Tinder: Man kann sich die Mehrheiten nicht einfach „wegwischen“.

Daraufhin meldete sich die Aufsicht – quasi die Schiedsrichterkabine der Kommunalpolitik. Pfiff, Videobeweis, Gelbe Karte mit Klemmbrett: „So nicht, Freunde. Es gibt keine Ratsmitglieder zweiter Klasse.“ Die Botschaft: Rechte, die man nicht mag, sind dennoch Rechte, und Minderheitenrechte gelten auch für Mehrheiten, die man lieber anders hätte. Ein bisschen schmerzhaft, aber verfassungsimprägniert.

Die Stadtspitze hielt dagegen: Alles nur Selbstverpflichtung, keine juristische Fessel. So wie der Vorsatz, ab Montag mehr Sport zu machen – man meint es gut, bis die Couch ruft. Ergebnis: ein Disziplinarverfahren, das so lange dauerte, dass man unterwegs noch einmal über denselben Antrag abstimmte – mit demselben Ergebnis. Man kennt das von schlechten Fortsetzungen: gleiche Handlung, neue Laufzeit.

Nun droht der Zwangsradierer aus der Bezirksregierung: Paragraf 122 der Gemeindeordnung winkt freundlich aus dem Gesetzbuch. Übersetzung: Wenn ihr eure Brandmauer unbedingt behalten wollt, müsst ihr sie an anderer Stelle aufstellen – vielleicht als Kunstinstallation im Park. Im Rechtsstaat gilt: Beschlüsse sind keine Gefühlssticker, sondern müssen die Betriebsanleitung der Demokratie aushalten.

Und damit rein in Akt drei: die Gerichtsbühne. Dort wird dann entschieden, ob man politische Diätregeln („Wir essen keine Mehrheiten mit Beilage X“) wirklich in die Geschäftsordnung schreiben darf. Spoiler: Wer Plenarpolitik mit Reinheitsgebot braut, landet schnell bei der Frage, ob die Hefe der Mehrheit überhaupt noch arbeiten darf.

Das Fazit in Dortmund: Die Brandmauer ist ein starkes Bild – leider ohne Statiknachweis. Moralische Signalbeleuchtung trifft auf juristische Hausordnung, und am Ende brennt gar nichts, außer ein bisschen politischer Eitelkeit. Demokratie ist eben das unromantische Handwerk, mit Stimmen zu rechnen, die man nicht bestellt hat – und mit Regeln zu leben, die man nicht selbst geschrieben hat. Oder, in Ruhrpott-Deutsch: Brandmauer schön und gut – aber bitte nur da, wo die Feuerwehr sie abnimmt.