Die Mauer steht nicht mehr – aber die Meinung schon
Die Westfrau – ein Wesen zwischen Latte Macchiato und Leistungsdruck. Sie kämpft sich durch den Alltag mit der eleganten Waffe des Gendersterns und einer To-do-Liste, die länger ist als die Elbphilharmonie-Bauzeit. Sie will Karriere, aber auch Kinder, aber bitte ohne Krippenplätze – die sollen schließlich andere haben, nämlich die Ostfrau, die ja angeblich schon seit 1983 ihre Babys direkt neben dem Förderband abgelegt hat.
Die Ostfrau – Legende, Mythos, multifunktionales Arbeitstier. Während im Westen noch über Gleichberechtigung diskutiert wurde, hatte sie längst einen Presslufthammer in der Hand und die Schlüssel zur Betriebskita im Overall. Manchmal wird sie bewundert – „so tough!“ – manchmal verachtet – „so herzlos!“ –, aber immer zuverlässig missverstanden. Zwischen Kohlegrube und Kombinat kämpfte sie sich durch das Leben, während die Westfrau ihre erste Yogastunde buchte – „gegen gesellschaftlichen Druck“.
Und natürlich: Beide ticken völlig unterschiedlich. Zumindest, wenn man den Experten glaubt, die noch nie östlich der Elbe waren, aber genau wissen, wie „die Ostfrau“ fühlt, denkt und ihr Müsli umrührt.
Dabei zeigen neueste Studien (also Omas Erfahrung und ein Podcast), dass es innerhalb Deutschlands mehr Frauentypen gibt als Duschgelvarianten im Drogeriemarkt. Trotzdem hält sich das Vorurteil hartnäckig, dass die eine Seite robust ist und die andere rosa.
Jetzt will eine Ausstellung das ändern. Sie heißt – Trommelwirbel – „Frauen im geteilten Deutschland“ und wird in der VHS präsentiert. Herausgegeben von der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur (kurz: dem Verein, der endlich Ordnung in den Erinnerungssalat bringt) und kuratiert von Clara Marz, die offenbar beschlossen hat, dass das Thema „Frau“ dringend eine Betriebsanleitung braucht.
Auf 20 Plakaten werden die Lebensrealitäten von Frauen in der Bundesrepublik und der DDR der 1970er und 1980er Jahre gezeigt – also damals, als Gleichberechtigung noch schwarz-weiß fotografiert wurde. Es geht um Arbeit, Familie, Politik, Mode und das, was dazwischen war: die Kunst, als Frau einfach zu funktionieren, egal auf welcher Seite der Mauer.
Das Ziel der Ausstellung: zeigen, dass Frauen beider Systeme zwar in unterschiedlichen Küchen standen, aber oft dieselbe Suppe aus gesellschaftlichen Erwartungen auslöffeln mussten. Dass Selbstbestimmung kein Westimport war, sondern ein Grundbedürfnis, das auch in Plattenbauten keimte. Und dass „Gleichberechtigung“ manchmal einfach bedeutete, doppelt zu schuften – für den Staat, den Mann und die Kinder, während man im Westen wenigstens das Gefühl hatte, es sei eine freiwillige Entscheidung.
Besonders charmant: Die Schau wirft die Frage auf, ob sich Ost- und Westfrauen – trotz allem ideologischen Beton zwischen ihnen – vielleicht näherstanden, als es das Klischee erlaubt. Vielleicht verband sie ja ein gemeinsames Streben: das nach einem Leben, das nicht immer erklärt werden muss.
Wer das alles sehen will, sollte zur Stadtbücherei gehen – von Montag bis Freitag (außer Mittwoch, da hat die Realität Pause).
Und wer danach immer noch glaubt, dass alle Ostfrauen pragmatische Heldinnen und alle Westfrauen fragile Gänseblümchen sind, der möge bitte dringend die Zusatzveranstaltung besuchen:
„Wie man mit dem Kopf denkt, statt mit dem Klischee.“
Bis dahin bleibt die Erkenntnis:
Die Mauer ist weg, aber die Meinung steht noch stabil im Wohnzimmer – direkt zwischen Thermomix und Kohleofen.