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Die Schuldenbremse auf der Couch

Man stelle sich das Finanzministerium als WG-Küche vor. Auf dem Tisch: leere Pizzakartons, eine kaputte Kaffeemaschine und ein Loch in der Haushaltskasse, groß genug, um einen ICE durchzuschieben. Heute hat sich eine neue Expertengruppe dort eingefunden, um über die Schuldenbremse zu reden – jene mystische Erfindung, die in der Verfassung herumsteht wie ein Diätplan auf dem Kühlschrank: man weiß, dass man ihn hat, aber niemand hält sich dran.

Die Schuldenbremse auf der Couch

15 Fachleute sollen nun den gordischen Knoten durchschneiden. Eine Art Casting-Show: „Germany’s Next Top-Schuldenregel“. In der Jury sitzen 12 Wirtschaftsgurus mit glänzenden PowerPoint-Folien und drei Politik-Veteranen, die noch genau wissen, wie man einen Haushaltsplan mit Tesafilm zusammenklebt. Der Auftrag ist klar: eine Lösung finden für ein Problem, das seit Jahrzehnten im Bundestag rumliegt wie der kaputte Bürostuhl im Abstellraum.

Die Erwartungen sind riesig. Endlich, so hoffen manche, soll geklärt werden, wie man Milliardenlöcher stopft, ohne ständig neue zu graben. Der Finanzminister träumt von „klugen Modernisierungen“. Übersetzt heißt das: „Bitte, bitte erfindet mir eine Regel, die Schulden heißen darf, aber keine sind.“ Denn von 2027 bis 2029 klafft ein Loch von 170 Milliarden Euro. Das ist ungefähr so, als würde man sich einen Porsche leasen und feststellen, dass man nicht mal das Geld für den TÜV hat.

Die Gruppe diskutiert nun über die Zukunft des Haushalts wie eine Selbsthilfegruppe:

– „Hallo, ich bin Deutschland, und ich bin seit 40 Jahren verschuldet.“

– „Hallo, Deutschland!“

– „Mein Problem ist: ich will investieren, aber ich darf nicht. Außer, es brennt, donnert, kracht oder ein Meteorit schlägt ein.“

– „Kennen wir, Bruder.“

Die heilige Schuldenbremse steht in Artikel 109 und 115 des Grundgesetzes – ein Monument aus Zahlen, das den Bundeshaushalt angeblich in Schach hält. 0,35 Prozent Neuverschuldung vom BIP – klingt nach strenger Diät, ist aber in der Praxis wie ein Cheat Day, der sich über Jahre streckt. Naturkatastrophen? Ausnahme. Pandemie? Ausnahme. Kriegsangst? Doppelte Ausnahme. Wenn der Bundestag will, wird jeder Montag zur Naturkatastrophe erklärt.

Im März hat man die Zügel offiziell gelockert. Verteidigungsausgaben dürfen jetzt über die Regel hinausgehen, Hauptsache, das BIP klettert brav mit. Die Bundesländer bekamen sogar einen eigenen Verschuldungsspielraum, 0,35 Prozent pro Jahr – quasi ein Taschengeldkonto für Ministerpräsidenten. Endlich dürfen auch sie offiziell in Schulden baden, statt heimlich Kredite über Sparkassen-Tochterfirmen zu verstecken.

Die Expertenrunde wird in den kommenden Wochen also tüfteln, ob man die Schuldenbremse streicht, verlängert, reformiert oder einfach rosa anmalt. Wahrscheinlich kommt am Ende ein Kompromiss heraus, der so klingt: „Schulden sind verboten, außer wenn wir sie brauchen. Und das ist immer.“

Am Ende wird man die neue Schuldenregel feiern wie ein frisch verhandeltes Fitness-Abo: man zahlt monatlich, nutzt es nie, und wundert sich trotzdem über den Bauchansatz. Deutschland wird weiter Geld ausgeben, das es nicht hat – aber immerhin mit gutem Gewissen, denn es steht ja in der Verfassung.

Die Schuldenbremse ist kein Bremsklotz mehr, sondern eher ein Türstopper. Sie hält nicht den Haushalt an, sie verhindert nur, dass die Tür ganz zufällt. Und während die Expertenrunde über Prozenzwerte, BIP und Ausnahmetatbestände streitet, schleicht die Realität schon mit einem Einkaufswagen voller neuer Schulden zur Kasse.