Die unsichtbare Maut: 270 Millionen für nichts – Deutschlands teuerste Geisterstraße
Der Anfang: Visionär bis zum Stillstand
Man stelle sich die Szene vor: Ein Ministerium, das mit Inbrunst die „Infrastrukturabgabe“ plant. Klingt edel, meint aber nichts anderes als: „Wir wollen von Ausländern Geld, Inländer kriegen’s zurück.“ Ein bürokratischer Zaubertrick, der in Brüssel etwa so gut ankam wie eine Grillwurst auf der Veganerparty. Der Europäische Gerichtshof stoppte das Projekt 2019 kurzerhand – diskriminierend, rechtswidrig, absurd. Aus die Maus, keine Maut.
Die Rechnung, bitte!
Doch die Verträge mit den geplanten Betreibern waren längst unterschrieben, fein säuberlich mit Kugelschreiber und Karacho. Und die Betreiber sagten: „Kein Problem, dann nehmt halt kein Geld von den Autofahrern – nehmt’s von euch selbst.“
2023 musste der Bund schon einmal kräftig bluten: 243 Millionen Euro an Schadenersatz. Das wäre an sich schon Stoff genug für eine Polit-Slapstick-Reihe. Aber Deutschland wäre nicht Deutschland, wenn nicht noch eine Nachzahlung fällig wäre. Nun also: weitere 27 Millionen Euro – quasi der verspätete Nachtisch nach dem großen Maut-Menü. Insgesamt stehen wir damit bei rund 270 Millionen Euro. Für ein Projekt, das nie existierte. Eine unsichtbare Maut, die nur in den Kassenlöchern der Steuerzahler spürbar ist.
Neuartiges Verfahren: Schiedsgericht deluxe
Die 27 Millionen stammen aus einem weiteren Schiedsverfahren, dieses Mal zum Vertrag über die „Automatische Kontrolle der Infrastrukturabgabe“. Automatische Kontrolle – ein System, das nie gebaut wurde, nie funktionierte, nie einen einzigen Ausländer auf deutschem Asphalt stoppte. Und trotzdem: 27 Millionen, weil es hätte funktionieren können. Das ist ungefähr so, als würde man dem Bäcker eine Torte bezahlen, die er nie gebacken hat, weil der Ofen von der Lebensmittelaufsicht geschlossen wurde.
Die große Unklarheit: Gegenfinanzierung
Und wie wird das Loch im Bundeshaushalt gestopft? Mit der sogenannten „globalen Minderausgabe“. Klingt wie eine Krankenkasse für Politik: Wir kürzen irgendwo, irgendwann, irgendwie. Ob am Ende ein Autobahnbrückengeländer wackelt oder ein Kindergartenstuhl fehlt, wird später entschieden. Transparenz sieht anders aus, aber immerhin klingt „globale Minderausgabe“ so kompliziert, dass keiner mehr nachfragt.
Die Gewinner: Betreiber ohne Betrieb
Freuen dürfen sich hingegen die beteiligten Firmen. Die österreichische Kapsch TrafficCom AG vermeldete stolz: Tochtergesellschaft erhält 27 Millionen Euro. Man darf sich das wie einen Lottogewinn vorstellen – nur dass der Lottoschein nie ausgefüllt wurde. Gemeinsam mit Eventim, dem Konzertkartenhändler, hatten sie das Betreiberkonsortium „Autoticket“ gebildet. Ein Unternehmen, das nie Tickets für Straßen, aber immerhin dicke Schecks vom Bund einlöste.
Politische Nachbeben
Die Schuldfrage wabert noch durch die Hauptstadt. Die damaligen Verkehrsminister werden mit Häme überzogen. Es heißt, mit der Maut-Idee sei europarechtswidrig ein Projekt gezimmert worden, das nie hätte durchgehen dürfen. Das Ganze erinnert an jemanden, der versucht, durch den Zoll zu kommen mit dem Satz: „Die Zigaretten sind nicht für mich, ich bringe sie nur meinem Onkel mit.“
Und die Justiz schaut ebenfalls noch einmal genauer hin. Gegen den ehemaligen Projektvater läuft ein Verfahren wegen uneidlicher Falschaussage. Auch ein Ex-Staatssekretär darf sich auf Post vom Landgericht Berlin freuen. Deutschland, einig Mautland – nur eben vor Gericht.
Die Moral von der Geschicht’
Was hätte man mit 270 Millionen Euro alles machen können? Schlaglöcher stopfen, Autobahnbrücken sanieren, Schulen dämmen, Freibäder retten. Stattdessen hat man Geld für eine Geister-Maut verbrannt. Das ist nicht nur ein Schildbürgerstreich, das ist das Guinness-Buch-taugliche Meisterwerk deutscher Bürokratie.
Epilog
Die Maut ist tot, doch ihre Erben kassieren weiter. Steuerzahler spielen unfreiwillig die Hauptrolle in einem absurden Theaterstück: „Die unsichtbare Maut“. Eintritt frei, Nachzahlung inklusive. Und während manch ein Politiker heute so tut, als hätte er nie davon gehört, bleibt das Erbe sichtbar – nicht auf den Straßen, sondern im Bundeshaushalt.