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Goldener Kuli, bleierne Worte – Kanzlerbesuch in Münster

Es gibt Ereignisse, die wirken so historisch, dass man fast vergisst, dass sie in der Gegenwart passieren. So auch der große Antrittsbesuch des Kanzlers in Münster. Er durfte sich ins Goldene Buch der Stadt eintragen – was ungefähr so spektakulär ist wie ein Gästebuch im Ferienhaus, nur mit mehr Blitzlichtgewitter und weniger peinlichen Sprüchen à la „War schön, bis der Pool grün wurde“.

Kanzlerbesuch in Münster

Der Schauplatz: der Friedenssaal. Ein Ort, an dem 1648 der Dreißigjährige Krieg beendet wurde. Heute beendet man dort höchstens noch die Hoffnung, dass politische Reden irgendwann unter fünf Minuten dauern. Der Kanzler schwärmte vom „Dialog“ und der „Kraft gemeinsamer Lösungen“. Mit anderen Worten: Er sprach vom Frieden, während draußen der Straßenverkehr wie immer Krieg führte.

Natürlich gab es auch das unvermeidliche Loblied auf Münster: Universitätsstadt, Wissenschaft, Forschung – und zack, fünf Kilometer weiter steht schon ein Trecker im Stau. Diese „Symbiose von ländlichem Raum und urbanem Zentrum“ wurde so poetisch beschrieben, dass man fast vergisst, dass sie in der Praxis bedeutet: Fahrräder gegen SUVs, Landluft gegen Feinstaub und Latte Macchiato gegen Korn im Vereinsheim.

Für den Kanzlerbesuch wählte man nicht die Düsseldorfer Staatskanzlei, sondern Münsters Historisches Rathaus. Warum? Weil man in Münster noch so etwas wie Atmosphäre hat – und in Düsseldorf nur Kö-Galerie und Karneval. Dort fand also eine Sondersitzung des Landeskabinetts statt, die vermutlich genauso spannend war wie jeder Elternabend: viele Worte, wenig Ergebnisse, aber immerhin Kekse auf dem Tisch.

Nach dem Pflichtprogramm dann das Kürprogramm: Treffen mit Polizistinnen und Polizisten. Endlich mal mit Menschen reden, die nicht im Politsprech antworten, sondern klare Sätze können: „Fahrzeugpapiere bitte.“ Außerdem ein Austausch mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern über den Hightech-Standort Deutschland – was in der Praxis heißt: Politiker erklären der Forschung, wie wichtig Innovation ist, während sie parallel Faxgeräte in den Ministerien am Leben erhalten.

Der Ministerpräsident nutzte die Gelegenheit natürlich, um ein bisschen Pathos zu sprühen: NRW sei das „Schlüsselland im Herzen Europas“. Schlüsselland klingt großartig, ist aber eher wie der Ersatzschlüssel unterm Blumentopf: praktisch, aber niemand sucht wirklich danach. Vom Weg „von der Kohle zur KI“ war auch die Rede. Gemeint ist wohl: vom Staub der Vergangenheit zum nächsten Buzzword der Zukunft. Nur dass KI im Rathaus meist für „Kein Internet“ steht.

Am Ende wurde der Kanzler noch mit warmen Worten verabschiedet. Man hoffe, dass „der Spirit des Friedenssaals“ ihn bei seiner Arbeit begleite. Spirit klingt gut – fast wie eine Flasche Korn aus dem Münsterland. Vielleicht ist es das, was man in Berlin bräuchte: weniger Koalitionsverträge, mehr Kornflaschen mit Friedensetikett.

So bleibt vom Kanzlerbesuch vor allem das Bild eines Mannes mit goldenem Kugelschreiber und großem Redeschatz. Münster hatte für einen Tag die Aura des Weltgeschehens, bevor es wieder in den normalen Alltag zurückfiel: Fahrradklingeln, Baustellen und der ewige Kampf um Parkplätze.

Und das Goldene Buch? Hat nun eine weitere Unterschrift. Historisch ist das ungefähr so, als würde man einen neuen Stempel auf den Münsteraner Wochenmarkt-Bonuspass drücken. Aber hey – immerhin Geschichte zum Anfassen.