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Heilig auf Prime: Der Hoodie-Apostel im 24h-Livestream

Heiligsprechung ist normalerweise ein zäher Marathon – Aktenstapel, Wunderakten, eine päpstliche Unterschrift hier, ein bisschen Weihrauch da. Doch diesmal ging es so schnell, dass man den Eindruck bekommt: Amazon Prime liefert inzwischen auch Heiligenscheine im 24-Stunden-Express. Der erste „digitale Heilige“ liegt jetzt in Assisi, fein säuberlich in Turnschuhen, Jeans und Hoodie – das Outfit schreit nicht „Jenseits“, sondern „H&M Youth Collection“.

Heilig auf Prime: Der Hoodie-Apostel im 24h-Livestream

Der Marketingkniff sitzt: Jahrhunderte pilgern Menschen nach Umbrien, um einem barfüßigen Franziskus nachzuspüren, und plötzlich liegt da ein Teenager, der aussieht, als könnte er gleich ein TikTok über die besten WLAN-Hotspots im Himmel hochladen. Über dem Glassarg hängt eine Webcam, live gestreamt für die globale Fangemeinde. Heiligsprechung als Reality-TV: „Big Brother Gottes Haus“, Staffel eins, Einschaltquote: unbegrenzt.

Die Besucher dürfen natürlich nicht nur still beten, sie dürfen auch die Hand an die Plexiglasscheibe legen – Selfies inklusive. Man könnte meinen, der Heilige sei weniger ein Vorbild des Glaubens, sondern mehr eine menschliche Powerbank: kurz auflegen, geistig aufladen, weitergehen.

Hinter der Show steht die unermüdliche PR-Abteilung der Ewigkeit, alias die katholische Kirche. Sie hat die Zeichen der Zeit erkannt: Jugendliche erreicht man nicht mehr mit lateinischen Psalmen und vergoldeten Heiligenbildern, sondern mit einem Hoodie-Helden, der im Livestream wie ein spiritueller Influencer glänzt. Und warum nicht? Jeder Verein braucht Nachwuchs, selbst der älteste Konzern der Welt.

Medienethiker kramen derweil ihre PowerPoint-Präsentationen hervor und erklären das Ganze als „Inkulturation“. Übersetzt heißt das: Man schmeißt die alte Ikone vom Sockel und stellt einen neuen Typ drauf, der WLAN kennt und schon mal in den Computer eingeloggt war. Das nennt man dann Brückenschlag zwischen Ewigkeit und Ethernet.

Natürlich gibt es Skeptiker. Ehemalige Jugendfreunde erinnern daran, dass der digitale Heilige eben auch nur ein ganz normaler Teenager war, bevor er zum „Influencer Gottes“ hochgeladen wurde. Aber normale Erinnerungen verkaufen sich halt schlecht, wenn man mit dem Hashtag #HeiligImHoodie Millionen Klicks generieren kann.

Die Geschwindigkeit der Sache ist rekordverdächtig: Statt 300 Jahre Prüfung, fünf Gremien und sieben Wunder reicht jetzt schon eine stabile Internetverbindung und ein Lebenslauf im PDF-Format. Wenn das so weitergeht, kann man in zehn Jahren Heiligsprechung als In-App-Kauf im Kirchen-Store abonnieren: „Für nur 9,99 € pro Monat inklusive Engel-Emoji und exklusiven Ablasscodes.“

Problematisch? Aber sicher! Denn sobald aus Sinnstiftung klare Gebrauchsanweisung wird, verwandelt sich das Ganze vom spirituellen Netflix in eine fundamentalistische Dating-App: Swipe links, wenn du verdammt bist, swipe rechts, wenn du heilig sein willst.

Und so wird der erste Millennial-Heilige zur Projektionsfläche für alle – für Jugendliche, die lieber an Sneakers glauben als an Sandalen, für Kirchenfürsten, die dringend Likes brauchen, und für Theologen, die das Ganze mit dem Etikett „moderne Mystik“ übertünchen.

Ob das funktioniert? Man weiß es nicht. Aber während sich die Kirche seit Jahrhunderten um Spaltungen sorgt, scheint man sich immerhin auf diesen Hoodie-Heiligen einigen zu können. Und falls das junge Publikum tatsächlich zurückkehrt, dann vermutlich nicht, um in der Messe zu knien, sondern um zu sehen, ob die Webcam in Assisi auch einen Like-Button hat.