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Hypotheken-Hokuspokus – oder wie man eine Notenbankerin per Formular stürzt

In Washington wird gerade ein neues Gesellschaftsspiel erprobt: „Hauptwohnsitz-Bingo“. Die Regeln sind simpel: Man nimmt drei Immobilien in drei Bundesstaaten, kreuzt hier „Hauptwohnsitz“, dort „Zweitwohnsitz“ und irgendwo „derzeitiger Wohnsitz“ an – und hofft, dass niemand die Formulare nebeneinanderlegt. Blöd nur, wenn genau das passiert und daraus plötzlich ein Staatsdrama entsteht.

Gesellschaftsspiel „Hauptwohnsitz-Bingo“

Der Präsident möchte nämlich eine Notenbankgouverneurin loswerden. Begründung: angebliche Falschangaben bei Hypotheken. Die Beschuldigte kontert trocken: Das alles sei bereits im Bestätigungsverfahren anno 2022 offen auf dem Tisch gelegen. Wer damals nicht aufgepasst habe, möge jetzt bitte nicht „Skandal!“ rufen. Kurz: Wenn der Fehler schon im Protokoll steht, ist er als Enthüllung eher so aufregend wie ein abgestandener Filterkaffee.

Zur Sache: Auf Formular A war Immobilie X als Hauptwohnsitz markiert, auf Formular B auch Immobilie Y als „derzeitiger Wohnsitz“. Der Präsident und ein von ihm installierter Behördenleiter wittern daraus Hypotheken-Magie: Aus drei Häusern wird dreimal „Hauptwohnsitz“, angeblich mit Zinsrabatt im Handgepäck. Die Verteidigung sagt: Nichts da – kein Betrug, nur Behörden-Origami. Wer je versucht hat, US-Formulare ohne Nervenzusammenbruch auszufüllen, ahnt: Bürokratie ist ein Hochrisikosport.

Weil es um die Notenbank geht und nicht um den Kaninchenzüchterverein, landet das Ganze natürlich vor Gericht. Die Gouverneurin klagt gegen die Entlassung – ein Novum, denn noch nie hat ein US-Präsident ein Mitglied des Direktoriums entlassen. Eine Bundesrichterin hörte sich das zwei Stunden an, entschied erstmal gar nichts und bat um eine schriftliche Hausarbeit zum Thema „Warum diese Entlassung rechtswidrig wäre“. Frist: Dienstag. Note: noch offen.

Währenddessen bekommen die Finanzmärkte feuchte Hände. Denn wenn man Direktoriumsmitglieder wie Parkuhren austauscht, ist die Unabhängigkeit der Notenbank ungefähr so stabil wie ein Jenga-Turm im Erdbeben. Aus Europa kommt die Warnung: Ein Rauswurf – egal ob der Gouverneurin oder gar des Chefs – wäre eine „ernste Gefahr“ für die US- und Weltwirtschaft. Übersetzung: Bitte lasst die Leute mit den Zinsen arbeiten, ohne dass jeden Montag jemand „Rausschmiss!“ ruft.

Juristisch spannend: Das Gesetz erlaubt eine Entlassung „aus wichtigem Grund“ – was immer das genau heißt. Eine Definition? Fehlanzeige. Willkommen im weiten Feld zwischen „hat den Goldpreis beleidigt“ und „hat die Dienstreise falsch abgerechnet“. Sollte die Gouverneurin gehen müssen, dürfte der Präsident einen vierten Sitz im siebenköpfigen Direktorium besetzen. Politische Farbenlehre inklusive. Endstation aller Dinge: wahrscheinlich der Oberste Gerichtshof.

Aus Checkboxen wird Schicksal, aus Formularlogik wird Machtpolitik. Die einen sehen Betrug mit Discountzins, die anderen eine durchschaubare Druckausübung auf die Geldpolitik. Und irgendwo zwischen Excel-Tabelle und Staatsraison versucht eine Notenbank, die Inflation zu bändigen – während draußen über Wohnsitz-Schrödinger gestritten wird: Haus hier, Haus da, Hauptwohnsitz überall.

Wenn das der neue Standard ist, brauchen künftige Kandidaten fürs Direktorium wohl weniger volkswirtschaftliche Modelle als eher Notarwissen, Klebezettel in drei Farben – und einen sehr guten Anwalt.