Ludwigshafen wählt – oder auch nicht: Demokratie mit 29,3 Prozent Akku
Auf dem Spiel steht der Chefsessel der zweitgrößten Stadt in Rheinland-Pfalz – ein Möbelstück, das wohl bald eine neue Sitzpolitur bekommt. Zwei Kandidaten kämpfen um die Macht: Auf der einen Seite der Professor, auf der anderen der IT-Unternehmer. BWL gegen Bits. Also das, was man bekommt, wenn ein Wirtschaftslehrer und ein Nerd um dieselbe Steckdose streiten.
Im ersten Wahlgang lag der Professor vorne – 41,2 Prozent! Klingt stark, bis man hört, dass nur knapp 29 Prozent überhaupt abgestimmt haben. Das bedeutet: Etwa jeder achte Ludwigshafener hat sich bemüht, den Weg zur Urne zu finden. Demokratie im Energiesparmodus. Man stelle sich vor, man geht wählen – und die Stadt merkt es gar nicht.
Die restlichen zwei Drittel der Bevölkerung hatten wohl Wichtigeres zu tun. Netflix, Wahlmüdigkeit oder die Suche nach einem Parkplatz. Vielleicht auch schlicht die Erkenntnis, dass Ludwigshafen, egal wer regiert, immer ein bisschen wie Ludwigshafen bleiben wird.
Doch diesmal steckt Drama in der Luft – und das nicht nur aus der Chemiefabrik. Denn der Wahlkampf warf eine Frage auf, die selbst Aristoteles nervös gemacht hätte: Darf jemand kandidieren, der möglicherweise verfassungsrechtlich so stabil ist wie ein Pudding im Schleudergang?
Der Kandidat einer bekannten rechten Partei wurde ausgeschlossen – aus Gründen der Verfassungstreue. Was übersetzt heißt: „Wir sind uns nicht sicher, ob er die Demokratie so richtig mag.“ Eine berechtigte Frage, möchte man meinen. Der eine Kandidat applaudiert dem Ausschluss, der andere sagt, er hätte ihn lieber an der Wahlurne besiegt. Ein klassischer Konflikt zwischen Prinzipienfestigkeit und sportlichem Ehrgeiz – oder zwischen „Demokratie verteidigen“ und „Na, mal gucken, was passiert“.
Abseits dieser politischen Feinkost stehen natürlich die großen Themen der Stadt an: Videoüberwachung, Wirtschaft, Sicherheit und – wer hätte es gedacht – künstliche Intelligenz. Der Professor will KI-Kameras an „bestimmten Punkten“. Also vermutlich überall, wo Menschen noch Spaß haben. Der IT-Mann ist dagegen – er meint, Überwachung verdränge nur die Probleme. Was vermutlich stimmt: Wer ständig beobachtet wird, zieht halt einfach in die Pfalz.
118.000 dürfen heute also entscheiden. Und wenn man den Trend kennt, werden es am Ende vielleicht 25.000 tun. Die anderen 93.000 werden sich Montag fragen: „Hat eigentlich schon wer gewonnen?“
Und wenn die Wahllokale schließen, wird Ludwigshafen wieder für ein paar Stunden so tun, als sei es das Zentrum der Republik. Dann wird in den Nachrichten stehen: „Entscheidung in Ludwigshafen!“ – als ginge es um das Schicksal der westlichen Welt.
Doch wenn das Licht im Rathaus wieder ausgeht, bleibt vor allem eines: eine Stadt, in der Demokratie leise, aber immerhin noch mit Humor funktioniert. Und vielleicht, nur vielleicht, wählt nächstes Mal sogar jemand, der’s vergessen hatte – weil die KI ihm rechtzeitig eine Push-Nachricht schickt:
„Hey Ludwigshafen, du darfst wählen. Wieder nur 29 Prozent Akku.“