Münster befragt sich selbst – und hofft, dass wenigstens jemand antwortet
Das Stadtplanungsamt hat sich etwas ganz Neues überlegt: „Online-First“. Früher hieß das einfach „Wir schicken Ihnen Papier“, heute heißt es „Sie machen das bitte im Internet, sonst kriegen Sie Papier“. Das klingt zwar nach Fortschritt, ist aber ungefähr so digital wie ein Fax mit WLAN. Wer sich also erfolgreich durch 14 Ziffern eines persönlichen Zugangscodes kämpft, darf anschließend den glorreichen Fragebogen ausfüllen – über Themen wie Ehrenamt, Wohnen, Gesundheit und natürlich das Lieblingsthema aller Münsteraner: Verkehr.
Ja, der Verkehr. In Münster eine Religion mit zwei Konfessionen: Autofahrer gegen Radfahrer. Und irgendwo dazwischen verzweifelte Fußgänger, die hoffen, nicht von einem E-Scooter überrascht zu werden. Die Frage „Wie bewerten Sie die Parksituation?“ wird also vermutlich viele Emotionen auslösen. Zwischen „Was für eine Parksituation?“ und „Ich parke jetzt einfach in Osnabrück“ dürfte alles dabei sein.
Aber auch fürs Herz ist was dabei: Die Stadt will wissen, wie engagiert ihre Bürger sind. Das Ehrenamt, diese magische Kraft, die Münster zusammenhält, wenn mal wieder ein Sturm den Wochenmarkt wegrasiert. „Welche Rahmenbedingungen halten Sie für wichtig?“ – vielleicht „Weniger Bürokratie“ oder „Mehr Kaffee in der Sitzungspause“.
Damit es richtig wissenschaftlich wirkt, greift die Stadt auf ein bundesweites Tool zurück – den „StadtRaumMonitor“. Das klingt wie eine Mischung aus Satellitenüberwachung und Google Maps mit Fragebogen, ist aber tatsächlich ein digitales Bewertungsinstrument. Die Bürger dürfen damit ihre Umgebung bewerten – vermutlich so ähnlich wie bei Tripadvisor, nur dass man keine Sterne für die Nachbarn vergeben darf.
Natürlich ist alles streng anonym und freiwillig. Wobei „freiwillig“ hier heißt: Wer bis zum 14. November nicht online teilnimmt, bekommt das Ganze noch einmal per Post. Münster lässt einfach nicht locker. Ein bisschen wie dieser eine Nachbar, der immer fragt, ob man schon abgestimmt hat – nur höflicher und mit Logo.
Am Ende soll die Umfrage helfen, Politik und Verwaltung auf die richtigen Ideen zu bringen. Wobei „richtig“ natürlich relativ ist. Denn wenn 10.000 Münsteraner gleichzeitig ihre Meinung sagen, klingt das wahrscheinlich wie ein Chor, der gleichzeitig drei verschiedene Lieder singt – aber immerhin in harmonischer Bürgerbeteiligung.
Man darf gespannt sein, was dabei herauskommt. Vielleicht erfährt Münster endlich, was die Leute wirklich bewegt: Schlaglöcher, Wind oder doch die Parkgebühr an der Promenade. In jedem Fall ist klar: Münster bleibt neugierig – und fragt lieber einmal zu viel als gar nicht.