Münster sagt Tschüss: 16 Jahre Brücken, rote Linien und Baustellenromantik
Der Rückblick klingt wie die Zusammenfassung einer Netflix-Serie, die niemand zu Ende gucken wollte: „Wir haben Brücken gebaut, rote Linien gezogen, Entscheidungen getroffen und gemeinsam Verantwortung übernommen.“ Übersetzt: Brücken wurden in Münster vermutlich mehr auf Plakaten gebaut als im Straßenbauamt, und rote Linien kennt man hier eher von Fahrradmärkten. Aber egal – Pathos gehört dazu. Schließlich geht es um nichts weniger als Kommunalpolitik, oder wie der scheidende Oberbürgermeister es nannte: „demokratische Grundversorgung“. Das klingt ein bisschen nach politischem Discounter-Regal: alles drin, nichts glamourös, aber ohne geht’s eben nicht.
Natürlich durfte auch die Aufzählung der Dauerbrenner nicht fehlen: Klimawandel, Wohnungsnot, Migration, Fachkräftemangel, Digitalisierung. Alles Probleme, die schon bei Amtsantritt existierten und vermutlich auch dann noch existieren, wenn die Stadt irgendwann von einem KI-generierten Bürgermeister regiert wird. „Keine fertige Stadt, kein Ende der Debatten“ – so lautet das Resümee. Und man fragt sich: Hätte je ein Oberbürgermeister von Münster jemals eine „fertige Stadt“ hinterlassen können? Fertig ist hier höchstens die Baustelle am Hauptbahnhof – und das auch nur für exakt fünf Minuten, bevor die nächste aufgemacht wird.
Die Botschaft an den Rat: Münster belohnt „nicht die lauteste Stimme, sondern das tragfähigste Argument“. Klingt edel, aber alle, die jemals auf einer Bürgerversammlung über den Ausbau einer Fahrradstraße waren, wissen: Am Ende gewinnt oft der, der am lautesten „Nein!“ ruft. Und doch bleibt der Glaube an das Gute: „Nicht Polemik, sondern Austausch.“ Schön wär’s, wenn der Austausch nicht immer so sehr nach Handelskrieg um Stellplätze schmecken würde.
Besonders poetisch wurde es beim Dank an die Verwaltung. Diese sei „nur sichtbar, wenn etwas nicht klappt“. Was in Münster bedeutet: Sichtbar ist sie bei jedem verpassten Bus, jeder kaputten Ampel und jeder Parkuhr, die mehr frisst als sie sollte. Aber immerhin: Im Normalbetrieb sei die Verwaltung ein „präzises Uhrwerk im Hintergrund“. Blöd nur, dass die Münsteraner gern mal das Gefühl haben, dieses Uhrwerk sei in der Zeitzone von Bielefeld stecken geblieben.
Seit 2009 hat der Mann im Chefsessel regiert, zweimal wiedergewählt, und nun tritt er ab. Er bleibt noch bis November 2025 im Amt – quasi wie ein Praktikant auf Abruf, nur mit Amtskette. Und während der Nachfolger oder die Nachfolgerin schon irgendwo zwischen Parteitag und Wahlkampfveranstaltung poliert wird, darf er noch die letzten Bänder durchschneiden und Ehrenurkunden unterschreiben.
Am Ende bleibt Münster, wie es immer war: eine Stadt im Dauer-Dialog, zwischen roten Linien und grünen Wiesen, zwischen großen Worten und kleinen Baustellen. Fertig wird hier nichts – außer vielleicht die Reden.