Münsterland Giro – Wenn Ketten quietschen und Helme glänzen
Zum ersten Mal in seiner 19-jährigen Geschichte startet das Ganze in Oelde-Stromberg – dem heimlichen Mekka der Radfahrer, wo man schon bei der Geburt ein Klingeln statt eines Schreis von sich gibt. Von dort geht’s 191 Kilometer durch Hügel, Dörfer und sprintbereite Kreisverkehre, bis am Schloss Münster entschieden wird, wer diesmal der König der Kette ist.
Während die Profis schwitzen, strampeln auch 7.500 Hobbyfahrer los – neuer Rekord! Der sogenannte LeezenCup hat damit mehr Teilnehmer als so mancher Marathon. Das Münsterland zeigt: Hier fährt man Fahrrad, ob man will oder nicht. Wer kein Rad hat, kriegt eins gestellt, notfalls vom Nachbarn. Hauptsache, die Statistik stimmt.
Natürlich darf die große Sonntagsrede nicht fehlen. Der Giro sei „mehr als ein sportliches Großereignis“, heißt es – eine „gelebte Fahrradkultur“. Übersetzt: Das Münsterland hat keine Alpen, keine Formel-1-Strecke, kein Oktoberfest – also feiern wir das, was wir haben: Radwege und Rückenwind.
Die Profis kommen mit dicken Namen und dünnen Reifen. Halb UCI WorldTour ist da, mit Siegern von gestern und Sprintern von morgen. Das klingt beeindruckend, bis man merkt: Für die meisten Zuschauer sieht ohnehin jeder Fahrer gleich aus – Helm, Brille, bunte Wurstpelle. Die Unterschiede sind so erkennbar wie bei Ameisen im Schwarm.
Die Strecke hat’s in sich: hoch auf den Höxberg bei Beckum, weiter zum Pilatusberg bei Ostenfelde – ja, im Münsterland nennt man schon Hügel „Berge“, weil’s fürs echte Hochgebirge nicht reicht. Danach wird’s flach. So flach, dass jeder Pizzakarton mehr Profil hat. Perfekt für Sprintduelle, bei denen die Fahrer schneller am Schloss vorbeiziehen, als die ARD-Kamera scharfstellen kann.
Doch nicht nur die Weltelite tritt in die Pedale. Auch das Volk darf ran:
– 65 Kilometer auf der Kurzstrecke – ideal für alle, die ihren Sonntagsbraten schon nach Telgte wiedersehen.
– 95 Kilometer für die, die gerne angeben: „War anspruchsvoll!“
– 125 Kilometer für die Selbstüberschätzer, die am Ende im Zielbereich aussehen wie durchgekautes Kaugummi.
Und dann die LeezenKids: 600 Kinder, drei bis zwölf Jahre, Laufrad und Fette-Reifen-Rennen. Ein Riesenspaß für Eltern, die ihre Sprösslinge schon mal an den Gedanken gewöhnen wollen: „Wenn du schnell genug bist, darfst du später vielleicht auch mal für die Sparkasse fahren.“
Damit es niemandem zu elitär wird, gibt es auch noch den Giro-Inklusiv – eine Runde für alle, die zeigen: Radfahren ist für jeden da, egal ob mit Hightech-Rennrad oder stabiler Alltagsmöhre. Drei Kilometer Rundkurs, und das Münsterland klatscht Beifall wie beim Eurovision Song Contest.
Der Münsterland Giro ist kein Radrennen. Es ist ein kulturelles Großereignis, eine Mischung aus Wallfahrt, Schützenfest und Fitnessstudio. Wer an diesem Tag kein Fahrrad bewegt, sollte sich wenigstens ein Bier holen und so tun, als ob. Denn hier gilt: Wer tritt, gehört dazu. Wer nicht tritt, steht im Stau.