NRW wählt – und alle tun so, als ginge es um die Weltmeisterschaft
Im Ruhrgebiet, genauer in Gelsenkirchen, wo einst Stahl gekocht und Kohle geschippt wurde, kocht jetzt vor allem die Stimmung. Vor einer Bäckerei in Heßler steht ein Wahlstand in AfD-Blau. Unter dem Schirm prangt der Slogan „Mut zur Wahrheit“ – was ungefähr so klingt, als würde ein Zahnarzt „Mut zum Bohren“ auf seine Tür schreiben. Hier kämpfen Kandidaten nicht nur um Stimmen, sondern auch gegen das Gefühl, dass ihre Heimatstadt seit Jahrzehnten auf dem Trödelmarkt liegt.
Die Themen sind klar: Sicherheit, Ordnung, Sauberkeit – alles, was man sonst von einem Putzmittel erwarten würde. Man erzählt von Dreck, von Angst beim Hundespaziergang und vom großen Niedergang. Und siehe da: Manche Bürger nicken, als hätten sie gerade eine Gratis-Salami im Brötchen bekommen. Andere schütteln den Kopf und rufen: „Gott bewahre!“ Die Demokratie wirkt hier wie ein Wochenmarktstand: Man probiert, man kostet, man entscheidet – oder auch nicht.
Die nackten Zahlen sind so bitter wie alter Filterkaffee: Gelsenkirchen hat die höchste Arbeitslosigkeit in NRW, fast jedes zweite Kind lebt in Armut. Geschäfte machen dicht, Ein-Euro-Läden machen auf. Selbst Rentnerinnen auf dem Wochenmarkt seufzen, dass sie sich fremd fühlen – nicht wegen der Nachbarn, sondern weil es einfach nichts mehr zu kaufen gibt außer Ramsch und Frust.
Politikwissenschaftler analysieren nüchtern: SPD und CDU werden Federn lassen, die Grünen werden „entgrünt“, und die AfD legt zu. So klingt das im Wissenschaftsdeutsch, während draußen die Menschen schlicht sagen: „Alles Mist, wählen wir mal anders.“ Besonders spannend: Die Jungen unter 35 tendieren auffällig zur AfD, während die über 65-Jährigen sie links liegen lassen. Der Generationenkonflikt zeigt sich also nicht mehr zwischen „Spotify“ und „ZDF“, sondern zwischen Kreuzchen und Kreuzschmerzen.
Doch während das Ruhrgebiet nach rechts rückt, zeigen Städte wie Münster und Bonn eine ganz andere Choreografie. Dort wählt man lieber grün, fast so, als wären Lastenräder die neue Religion. Münster glänzte zuletzt mit 29,8 Prozent für die Grünen – ein Ergebnis, bei dem selbst die CDU die Sektflaschen wieder in den Keller tragen musste. Bonn folgte dicht dahinter und verwandelte die alte Hauptstadt in eine Öko-Spielwiese mit Oberbürgermeisterin aus dem grünen Regal.
Und dann wäre da noch das internationale Publikum: Elon Musk, der US-Milliardär mit Allmachtsfantasien, mischt sich via X ein. Ausgerechnet er empfiehlt die AfD als „letzte Hoffnung für Deutschland“. Man stelle sich vor: Während in Gelsenkirchen noch diskutiert wird, ob die Straßenbeleuchtung funktioniert, sendet Tesla-Twitter-Botschaften ins Ruhrgebiet, als wäre das hier Cape Canaveral. Sogar Reporter der New York Times reisen an, um zu sehen, wie Deutsche zwischen Brötchenpreisen und Bombenstimmung ihre Zettel falten.
NRW wählt. Zwischen Bäckerei-Stand, Wochenmarkt-Seufzer, Unicampus-Kaffee und internationalem Medienrummel wirkt die Kommunalwahl wie eine Mischung aus Provinzposse und Weltpolitik. Wer am Ende triumphiert, bleibt offen. Sicher ist nur: Egal wie es ausgeht, irgendwer wird am Wahlabend wieder behaupten, es sei ein „klares Signal“. Und das Volk? Es hat derweil nur gehofft, dass wenigstens der Shuttlebus zur Wahllokal-Evakuierung pünktlich fährt.