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Putsch oder Party? Brasiliens Demokratie im Reality-Check

Brasilien liefert dieser Tage den wohl bizarrsten Politthriller seit Erfindung der Bananenrepublik. Zum ersten Mal steht ein Ex-Präsident wegen Putschversuchs vor Gericht. Für die einen ein historischer Moment, für die anderen eine schlechte Comedy-Show, die selbst Netflix nicht verfilmen würde, weil das Drehbuch „zu unrealistisch“ klingt.

Brasiliens Demokratie im Reality-Check


Zur Erinnerung: Am 8. Januar 2023 stürmten rund 4.000 Fans des abgewählten Sonnenkönigs die demokratischen Heiligtümer in Brasília: Präsidentenpalast, Verfassungsgericht, Parlament – einmal das Komplettpaket. Fenster gingen zu Bruch, Büros verwandelten sich in öffentliche Bedürfnisanstalten, und auf der Wunschliste stand eine Militärintervention. Man könnte sagen: ein Karnevalszug der besonderen Art, nur ohne Samba und Konfetti.

Jetzt also der Prozess. Die zentrale Frage: War der Ex-Präsident nur ein Zuschauer, der zufällig immer die Hauptrolle spielte? Oder hat er tatsächlich mit dem Militär an einem Drehbuch für den ganz großen Staatsstreich geschrieben? Laut Ermittlern war es kein Zufall, dass schon 2021 Falschmeldungen über Wahlbetrug wie bunte Bonbons unters Volk gestreut wurden. Auch ein Notstandsdekret lag wohl schon parat – quasi der „Joker“ im Kartenspiel der Macht.

Der Hauptdarsteller selbst sieht das naturgemäß anders. Von „politischer Verfolgung“ ist die Rede, von „Hexenjagd“ und natürlich von „großer Demütigung“. Alles klingt wie das Klagelied eines Mannes, der beim Monopoly plötzlich ins Gefängnis muss, obwohl er doch eigentlich noch eine Hotelkette auf der Avenida Atlantica bauen wollte.

Die Staatsanwaltschaft hält dagegen: Chats, Dokumente, Audioaufnahmen – die Beweise stapeln sich wie unbezahlte Rechnungen. Sogar Mordpläne gegen politische Gegner sollen kursiert sein. Es riecht weniger nach Demokratie, mehr nach Mafia-Spin-off.

Das Beste an der Farce: Auch die internationale Bühne mischt munter mit. Aus dem Weißen Haus ertönt der vertraute Chor der Solidarität. Dort spricht man nicht von Putsch, sondern von „Hexenjagd gegen einen Freund“. Dazu werden Rekordzölle verhängt, Richter als Diktatoren beschimpft – und plötzlich klingt es, als hätte jemand den Kalten Krieg wieder auf „Repeat“ gestellt.

Die brasilianische Bevölkerung? Sie ist gespalten wie eine Kokosnuss. Für die einen ist der Angeklagte ein Märtyrer, der für Freiheit kämpfte – für die anderen der Mann, der den demokratischen Porzellanladen mit einem Presslufthammer betrat. Umfragen zeigen: 38 Prozent glauben an einen politisch manipulierten Prozess. Der Rest glaubt, dass man beim Sturm auf den Palast wenigstens hätte die Toiletten sauber halten können.

Und mittendrin steht die Justiz, die sich nun entscheiden muss: Knast bis ans Lebensende oder Freispruch mit politischer Explosion. In beiden Fällen wird Brasilien weiter brennen – nur die Farbe der Flammen unterscheidet sich.

Während Europa noch über Bahnstreiks und Brötchenpreise diskutiert, spielt Brasilien die härteste Reality-Show der Welt. Titel: „Putsch oder Party?“. Staffellänge: unklar. Preisgeld: Demokratie – oder was davon übrig bleibt.