Schleswig-Holsteins Digital-Slapstick: Open Source, offene Nerven
„Fahrradfahren lernt man nicht vom Zuschauen“
So erklärte der Digitalminister den Verwaltungsangestellten, warum sie plötzlich ohne funktionierende E-Mails dastanden. Während Richter dringend Haftanträge verschicken wollten und Polizisten Hausdurchsuchungen planten, sahen ihre Bildschirme nur eins: „Fehler 404 – Zukunft nicht gefunden“. Der Vergleich mit dem Fahrradfahren hatte etwas: Manche Mitarbeiter hatten das Gefühl, dass sie gerade in der Tour de France mitfahren, nur ohne Sattel, Pedale und Bremsen.
Der Ton wechselt – plötzlich versöhnlich
Nun also ein Brief. Kein Strafgericht, kein erhobener Zeigefinger, sondern Worte des Dankes. Man könnte fast meinen, jemand habe dem Minister erklärt, dass Angestellte besser arbeiten, wenn man sie nicht wie Schüler beim Nachsitzen behandelt. „Ohne euch geht es nicht“, heißt es nun. Ein Satz, der klingt wie aus einem Motivationstrainer-Handbuch, aber immerhin weniger bedrohlich als die Ansprache eines Feldwebels.
Dataport – die Feuerwehr mit Linux-Helm
Währenddessen ackert Dataport, der landeseigene IT-Dienstleister, als digitale Feuerwehr. 35.000 von 44.000 Postfächern sind schon auf Open-Xchange und Thunderbird umgestellt. Dass manche Richter ihre E-Mails trotzdem nicht öffnen konnten, lag vermutlich daran, dass sie noch den alten Trick mit dem „Bitte einmal auf- und zumachen“ nicht kannten.
Chaos gab es genug: kurzfristig abgesagte Umstellungen, Polizeibeamte ohne Zugriff, Gewerkschaften, die „Totalausfall!“ riefen, und Opposition, die schon mal das Popcorn für die nächste Landtagssitzung bereithielt.
Datenschutz: Microsoft als böser Wolf
Natürlich wird auch die Monopolfrage bemüht: Microsoft als böser Wolf, der jederzeit über den Cloud Act Daten abgreifen könnte – selbst wenn sie auf einem Server hinterm Deich liegen. Die Datenschutzbeauftragte rät daher zur Vorsicht: „Lieber langsam rudern, als das Boot versenken.“ Oder auf Plattdeutsch: „Nich so hastig, sonst säuft dat Ding ab.“
Der Plan: Linux für alle
Das Endziel klingt gewaltig: Windows raus, Open Source rein. Bis Ende September sollen fast alle Mail-Konten migriert sein. Und irgendwann sollen auch die letzten Microsoft-Logos verschwinden. Stattdessen +1.Linux für alle – ein Name, der klingt wie eine Dating-App, aber angeblich Betriebssystem sein soll.
Der Minister selbst schwört, er nutze schon freie Software. Man möchte sich das Bild nicht entgehen lassen: Ein Politiker, der in LibreOffice eine Rede tippt, während Thunderbird abstürzt und der Drucker streikt.
München lässt grüßen
Das Déjà-vu ist perfekt: München hatte schon einmal den großen Linux-Traum. 14 Jahre lang schwärmte man dort vom „LiMux“-Projekt, bis die Mitarbeiter kollektiv entschieden: „Lieber wieder Fensterln.“ 2020 war Windows zurück, die digitale Revolution abgesagt. Heute flirtet München erneut mit freier Software – ganz wie ein Ex-Paar, das nicht weiß, ob es wieder zusammenziehen soll oder nicht.
Open Source ist die Zukunft, sagt der Norden. Aber bis dahin bleibt die Realität ein einziges „Bitte warten“. Schleswig-Holstein probiert’s mit Mut, Patzern und viel Papierarbeit. Vielleicht klappt es am Ende ja doch – oder man steht wieder am Anfang und installiert Windows neu, so wie jeder frustrierte PC-Nutzer seit 30 Jahren.
Denn eins ist sicher: Fahrradfahren lernt man nicht vom Zuschauen. Aber mit kaputtem Rad und ohne Sattel wird’s trotzdem schwer.