Schreib dich selbst – VHS lädt zur literarischen Selbsttherapie mit Kaffee und Kugelschreiber ein
Vier Dienstage lang, jeweils zwei Stunden, dürfen die Teilnehmenden ihr Dasein in Worte gießen. Ein Konzept, das irgendwo zwischen Tagebuch, Beichte und „Deutschland sucht das Memoirenwunder“ liegt. Dozent ist ein erfahrener Schreiberling, der weiß, dass sich das Leben am besten rückwärts versteht – aber nur, wenn man vorher Stift und Notizblock gefunden hat.
Das Ziel: Am Ende hält man sein eigenes Buch in der Hand. Kein Bestseller, kein Netflix-Stoff, aber immerhin 200 Seiten voll Herzblut, Kaffee- und Tränenspuren. Die VHS nennt es „kreativen Prozess des biografischen Schreibens“. Insider nennen es: „Ich wollte eigentlich nur erzählen, wie ich 1983 mein erstes Mofa bekommen habe – jetzt bin ich bei Kapitel 12: Die innere Leere nach dem Abi.“
Als Ausgangsmaterial darf alles dienen, was der Dachboden hergibt: vergilbte Postkarten („LG aus Borkum 1977“), Briefe von längst verschollenen Liebschaften („Warum hast du dich nie gemeldet?“), Fotoalben, Tagebücher, alte Terminkalender, Konzerttickets, und natürlich die unvergessenen Schallplatten, die man immer noch nicht digitalisiert hat, weil „Vinyl mehr Seele hat“.
Diese Fundstücke sollen die Erinnerungen wachrütteln – oder, je nach Lebenslauf, lieber wieder verschütten. Denn wer alte Konzertkarten durchblättert, erinnert sich plötzlich nicht nur an Musik, sondern auch an Frisuren, die heute als mutiger gelten als jeder Bungee-Sprung. Und wer alte Tagebücher liest, entdeckt meist zwei Dinge:
- Die Handschrift war früher besser.
- Man hatte erstaunlich viele Probleme mit erstaunlich wenig Bedeutung.
Doch keine Sorge: Der Kursleiter möchte den Teilnehmenden die Scheu nehmen. Schließlich ist Schreiben wie eine Gruppenreise durch das eigene Unterbewusstsein – nur ohne Gepäckgrenze. Schritt für Schritt lernt man, das eigene Leben nicht nur zu ertragen, sondern es auch in wohlgeformten Sätzen zu verklären. Zwischen den Zeilen entsteht ein Mix aus Melancholie, Humor und „Was zur Hölle habe ich mir damals gedacht?“.
Empfohlen wird, auch kleine Episoden zu würdigen: der erste Umzug, der letzte Urlaub, die Einladung zum falschen Geburtstag oder die verpasste Chance, bei einem Klassentreffen Eindruck zu machen. Denn das Leben, so zeigt sich hier, besteht nicht aus Höhepunkten – sondern aus Fußnoten, die irgendwann ein eigenes Buch füllen.
Und so werden in der VHS Ahlen nicht nur Geschichten geschrieben, sondern ganze Lebensläufe neu verpackt. Mit Kugelschreiber, Erinnerungsstücken und dem festen Glauben daran, dass das eigene Leben spannend genug ist, um wenigstens im Freundeskreis verlegt zu werden.
Kurz gesagt: Wer sich selbst schon immer mal biografisch überfordern wollte – hier ist die Chance. Eintritt: eine Portion Mut, eine Prise Nostalgie und ein volles Herz. Papier gibt’s vor Ort.