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Tanks leer, Kassen hohl: Wenn die Kriegswirtschaft zur Pyroshow wird

Die Reiseroute klingt wie ein Marathon durchs Schaufenster: erst Peking, dann Wladiwostok, dort ein „Wirtschaftsforum“, bei dem die Wirtschaft bitte draußen warten soll. Drinnen gibt’s Paneltalks über „stabile Perspektiven“, draußen prasseln Zahlen wie Platzregen: Rezession in Sicht, Wachstum mit Krücken, und der August – man verzeihe die Wortwahl – war ein Flächenbrand im Portemonnaie. Denn die andere Seite schickte Drohnen auf Raffinerien im europäischen Teil der Föderation, und plötzlich sah die Ölbranche aus wie ein Lagerfeuerkurs für Fortgeschrittene. Zehn Anlagen brannten, manche mehrmals, als hätten sie ein Bonusprogramm für Wiederholungstäter. Dazu bekamen Exportrouten Husten: Hafen Ust-Luga, Pumpstation an der Druschba-Pipeline – das Nadelöhr, durch das noch immer Geld in die Kriegskasse tropft.

Wenn die Kriegswirtschaft zur Pyroshow wird

Makroökonomisch heißt das: Die offiziellen Kurven tun so, als gähnten sie nur, aber hinterm Vorhang stolpert die Zivilwirtschaft die Treppe runter, während die Kriegsökonomie auf dem Laufband rennt, bis der Motor riecht. Zwei Quartale Minus sind nicht mehr „Stimmung“, das ist Handwerk: Rezession mit Stempel und Unterschrift. Das Staatssäckel schwitzt, denn Kriege sind keine Sparabos, und Sanktionen funktionieren wie eine hartnäckige Diät, bei der nur der Appetit wächst.

Die Inflation? Ein wildgewordener Heißluftballon. Der Leitzins stand jüngst bei 21 Prozent, jetzt bei 18 – immer noch genug, um jedem mittelständischen Schraubenhersteller spontane Religiosität beizubringen. Kredite werden zur Extremsportart, Investitionen zum Museumsstück. Gleichzeitig läuft die Kriegsindustrie an der Kapazitätskante; Maschinen verschleißen, Ersatzteile fehlen, und der einzige große Lieferant im Osten betreibt den berühmten Monopol-Laden: Ware gibt’s, aber nicht die günstige. „Geopolitischer Premiumaufschlag“, nennt man das an der Kasse, während hinten die Förderbänder quietschen.

An den Zapfsäulen beginnt der neue Volkssport „Schlangestehen mit Hoffnung“. Keine flächendeckende Knappheit, aber genug, um regionale Geduldsfäden zum Reißen zu bringen. Wenn das so bleibt und gleichzeitig die Ernte wegen Diesel-Diät kleiner ausfällt, wird’s für die Haushaltszahlen ungemütlich. Unmut wächst, sicher – doch kein Massenaufstand. Eher das, was man in Handbüchern „politisches Zähneknirschen“ nennt.

Der alte Gesellschaftsvertrag („Ihr bekommt Konsum, wir bekommen Ruhe“) wurde längst gegen ein Erfolgsabo eingetauscht: Statt Stabilität sollen Trophäen geliefert werden. Blöd nur, dass Stabilität inzwischen von Drohnenalarm und Flugabwehr-Weckdienst begleitet wird. Also muss ein Sieg her – nicht als Strategie, sondern als Beruhigungspille. Solange man den in Aussicht stellt, verzeiht der Bürger sogar die Tankstellentango-Nummer. Das ist der Kitt, der alles zusammenhält: die Hoffnung auf den großen roten Haken hinter einem Feldzug, während die Preise ihren eigenen Krieg führen.

Und so tagt man in Wladiwostok über „Zukunft“, während in den Excel-Tabellen die Gegenwart schreit. Die Moderation spricht von Chancen, die Buchhaltung von Brandschäden. Auf der Leinwand läuft die Vision – Wachstum mit goldener Umrandung –, im Keller rödelt die Realität – Lagerbestand knapp, Zins hoch, Ersatzteile Spätlese. Am Ende bleibt ein Land im Bananenkarton der Geschichte: außen die leuchtende Aufkleber-Propaganda, innen Druckstellen von Sanktionen, Drohnen und dem teuersten „Weiter so“ der jüngeren Wirtschaftschronik. Wer’s nicht glaubt, darf gerne die Schlange an der Tanke fragen. Die hat Zeit und eine ziemlich klare Meinung.