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Wenn Europa die Räder rollen lässt

Es gibt Wochen, in denen man sich fragt: „Wer hat eigentlich das Rad erfunden?“ Und es gibt Wochen, in denen die Europäische Kommission antwortet: „Wir. Schon wieder. Und diesmal mit App.“ Willkommen zur Europäischen Mobilitätswoche, dem bunten Schaulaufen nachhaltiger Verkehrsprojekte, wo selbst das rostigste Damenrad mit plattem Reifen plötzlich als „innovativer Verkehrsträger“ durchgeht – solange ein Sticker mit EU-Sternchen draufklebt.

Wenn Europa die Räder rollen lässt

Seit 2002 verwandeln Kommunen quer durch Europa ihre Innenstädte in eine Mischung aus Verkehrslabor, Schaufenster und Improvisationstheater. Eine Woche lang werden Parkplätze zu Yogamatten, Bushaltestellen zu Karaoke-Bühnen und Kreisverkehre zu nachhaltigen Kunstinstallationen, die niemand versteht, aber alle bezahlen. Es ist wie Karneval, nur ohne Kamelle – dafür mit Flyern über CO₂-Reduktion.

Und im Münsterland, wo die Kühe traditionell mehr Geduld im Stau haben als Autofahrer, gibt es dieses Jahr wieder ein besonders glamouröses Angebot: VIP-Tickets für Bus und Bahn. Klingt nach rotem Teppich, Champagnerglas und Chauffeur im Smoking – ist aber in Wahrheit ein schnödes EinzelTicket im WestfalenTarif. „Very Important Person“ heißt hier: Wer es schafft, die BuBiM-App ohne Nervenzusammenbruch zu installieren, hat sich sein Krönchen redlich verdient.

Die Anleitung zum Glück ist so einfach wie eine Steuererklärung auf Esperanto:

  1. App herunterladen (und hoffen, dass das Handy nicht streikt).
  2. Strecke auswählen (am besten eine, die tatsächlich existiert).
  3. Konto anlegen, sich durch zehn Passwörter und zwölf Datenschutzfenster klicken.
  4. Gutscheincode EMW2025 eingeben – klingt wie ein streng geheimes Passwort für ein unterirdisches Bunkerlabor, ist aber nur der Schlüssel zum Gratisfahrschein.
  5. QR-Code vorzeigen – im Bus, im Zug oder notfalls dem Familienhund, Hauptsache jemand scannt es.

Und voilà: Schon darf man mit Bus und Bahn fahren, als wäre man auf einer Hollywood-Premiere. Nur ohne Glamour, ohne Paparazzi und mit Sitzplatzgarantie ungefähr so sicher wie beim Kampf um die letzte Bratwurst auf dem Schützenfest.

Natürlich gibt es auch Grenzen. Das Fahrrad – sonst der treue Begleiter nachhaltiger Verkehrsträume – muss extra blechen. Wer sein Drahteselchen mitnehmen will, braucht ein FahrradTagesTicket. Ein echtes VIP ist eben nicht der Mensch, sondern das Metallgestell, das man mühsam die Treppen zum Bahnsteig hochschleppt. Auch Kombis mit AnschlussTickets oder dem FahrWeiterTicket Westfalen? Fehlanzeige! Wer zu weit denkt, wird konsequent ausgebremst. Nachhaltigkeit ja – aber bitte nur auf Schienen und in Grenzen des Tarifsystems.

Das Schöne an der Mobilitätswoche: Alle machen mit. Egal ob Borken, Coesfeld, Steinfurt, Warendorf oder die große Schwester Münster – die Region glänzt sieben Tage lang in sattem EU-Blau. Wer Glück hat, bekommt sogar einen Bus, der wirklich fährt. Wer Pech hat, erlebt „nachhaltige Mobilität“ als sportliches Erlebnis: zehn Kilometer Fußmarsch, weil die Bahn wieder im „innovativen“ Stillstand verharrt.


Doch am Ende bleibt ein warmes Gefühl: Für sieben Tage ist man nicht nur Bürger, sondern VIP. Auch wenn dieses „Very Important“ sich meist darin erschöpft, dass man im Bus kostenlos schwitzt, weil die Klimaanlage streikt. Aber hey – die Europäische Kommission sagt, es sei nachhaltig. Und wenn Brüssel das sagt, dann muss es stimmen. Schließlich rollen hier nicht nur Räder, sondern auch die Augen.