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Wenn Münster mal wieder in Deckung geht

Freitag, 12. September. Münster hält den Atem an. Nicht wegen der Fußballergebnisse oder der Parkplatzsuche am Aasee, sondern wegen einer 250-Kilogramm schweren Altlast aus der guten alten Zeit – einer amerikanischen Fliegerbombe. Während man in den USA stolz ist auf Coca-Cola und Elvis, hat Deutschland bis heute die exklusiven Gratislieferungen aus den 1940er-Jahren im Boden.

Wenn Münster mal wieder in Deckung geht

Gefunden wurde das Teil beim LVM-Preußenstadion. Bauarbeiter, die vermutlich nur einen Kabelkanal legen wollten, stießen plötzlich auf das dicke Ding – und schwupps war klar: Heute wird’s spannend. Statt Baufortschritt gab’s Evakuierungsbingo.

Ab 13.25 Uhr: Verdacht bestätigt, Bombe ist echt. Keine fancy Deko, sondern Original mit Zünder. Sofort werden Hammer Straße und halbe Stadt lahmgelegt. Münsteraner Autofahrer stehen ratlos im Stau, der Unterschied zur normalen Rush Hour: Diesmal hat’s wenigstens einen Grund.

14.00 Uhr: Evakuierung. 800 Anwohner im 300-Meter-Radius werden aufgefordert, Wohnung, Sofa und halbfertigen Filterkaffee zu verlassen. Für alle, die keinen Bock auf Bomben-Netflix haben, gibt es in Hiltrup eine Betreuungsstelle. Fünf Menschen nehmen das Angebot wahr – der Rest bleibt vermutlich auf dem Balkon hocken und postet in Echtzeit auf Facebook: „Hört jemand auch diesen Presslufthammer? Oder war das schon die Bombe?“

Ein Shuttlebus fährt ab Drachterstraße in Berg Fidel. Wer ihn erwischt, hat Glück. Wer nicht, bekommt immerhin eine gute Geschichte fürs nächste Grillfest: „Ich musste damals zu Fuß vor der Bombe fliehen.“

16.40 Uhr: Showtime! Der Kampfmittelbeseitigungsdienst tritt an, als wären sie die Avengers in Arbeitsklamotten. Während 150 Feuerwehrleute und Hilfskräfte schwitzend Straßensperren bewachen, kniet ein einzelner Experte über dem 250-Kilo-Gerät und sagt sinngemäß: „Ach, so ein Zünder. Klassiker.“

Die Bahn macht natürlich auch Pause. Münster-Hamm, Münster-Essen, Münster-Dortmund, Münster-Coesfeld – alles dicht. Wer im Zug sitzt, lernt die wahre Bedeutung von „Bahnkomfort“: Stehen, schwitzen und warten.

17.10 Uhr: Entwarnung! Bombe entschärft, Stadt gerettet, alles wieder frei. Straßen auf, Bahn frei, Evakuierung beendet. Jubel brandet auf – na gut, nicht wirklich, die Münsteraner bleiben nüchtern. Stattdessen hört man Sätze wie: „Na, das hat ja wieder gedauert.“

Fünf Menschen verlassen die Stadthalle Hiltrup, vermutlich enttäuscht, dass es keinen Popcornstand gab. 150 Einsatzkräfte räumen auf und hoffen, dass sie das gleiche Spiel nicht nächste Woche wiederholen müssen. Und die Bombe? Entschärft, entschärft, entschärft.

Münster hat mal wieder bewiesen, dass es mit seinen Altlasten umgehen kann. Eine 250-Kilo-Bombe wird kurzerhand in den Feierabend geschickt, als wäre sie ein unpünktlicher Azubi. Die Stadt lebt weiter, der Verkehr fließt wieder, und irgendwo sitzt ein Bauarbeiter beim Bier und sagt: „Ich wollte doch nur graben.“

Kurzum: Ein normaler Freitag in Münster. Nur mit etwas mehr Adrenalin, Absperrband – und der Gewissheit, dass der Zweite Weltkrieg hier immer noch als Dauergast im Untergrund wohnt.