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Willkommen im Suchmaschinen-Gulag

Ab sofort gilt in Russland: Wer bei Google & Co. nach den falschen Dingen sucht, riskiert eine Strafe. Endlich wird Ordnung ins Chaos der freien Meinungsäußerung gebracht! Ab jetzt gibt es kein „mal eben schnell Lyrics googeln“ mehr, ohne dass im Hintergrund ein FSB-Beamter mit der Stoppuhr neben deinem Router sitzt.

Suchmaschinen-Gulag

Extremistische Inhalte? Damit ist nicht etwa eine Anleitung zum Bombenbasteln gemeint. Nein, in Russland reicht es schon, wenn du neugierig bist auf LGBTQI, oppositionelle Meinungen oder gar einen Popsong, der nicht von staatlich geprüften Schlagerbarden stammt. Willkommen in der digitalen Steinzeit, präsentiert vom Kreml persönlich.

Gesetz mit Würze – die neue „Scharfmachung“

Das Zauberpapier heißt Gesetz Nr. 281-F3 – klingt wie ein Druckerfehler, ist aber ein Volltreffer in Sachen Kontrollwahn. Wer „vorsätzlich“ auf „extremistische Inhalte“ klickt, darf bis zu 5.000 Rubel löhnen. Vorsätzlich bedeutet in Russland: Du hast deine Augen offen gehabt.

In einer Videoschalte fragte sogar der große Chef im Kreml mal vorsichtig, ob das wirklich so funktioniert. Antwort: Aber natürlich! Man müsse nur nachweisen, dass der Nutzer wusste, dass er wusste, dass er wusste, dass… naja, irgendwo dazwischen ist er schuldig.

Die verbotene Frucht der Suchleiste

Das Absurde: Solange du den Link siehst, aber nicht draufklickst, bist du sicher. Ein bisschen wie beim russischen Roulette: Trommel drehen, Patrone sehen – aber bitte nicht anfassen. Natürlich wissen die Behörden ganz genau, dass gerade die verbotenen Früchte besonders süß sind. Wer könnte widerstehen, wenn plötzlich die Meldung aufploppt: „Achtung, dieser Inhalt ist verboten!“ Zack, schon klickst du doppelt.

Die kommunistische Opposition im Parlament meinte sogar, damit würden die Menschen erst recht auf diese Inhalte aufmerksam gemacht. Aber das ist ja vermutlich der Trick: „Schaut hier nicht hin!“ – und alle starren genau dorthin.

VPN – das digitale Schmuggelwerkzeug

40 Prozent der Bevölkerung nutzen angeblich VPN. Also quasi jeder Zweite mit WLAN. Das macht 40 Prozent der Bevölkerung zu potenziellen Staatsfeinden. VPN wird offiziell nicht verboten, weil es ja auch „gute Zwecke“ hat – zum Beispiel, wenn man den internationalen Sanktionen ein Schnippchen schlagen will. Aber wehe, du benutzt es für die falsche Suche. Dann bist du gleich Terrorist light.

Ach ja: Werbung für VPN ist inzwischen zehnmal so teuer bestraft wie die eigentliche „Extremismussuche“. Wer also ein „VPN – jetzt 20 % Rabatt“-Banner postet, der ist schlimmer als jeder Systemgegner.

Überwachung als Volkssport

Wie das Ganze praktisch funktionieren soll, weiß niemand. Provider sollen überwachen, Polizisten wollen Smartphones kontrollieren, aber eigentlich darfst du das verweigern. Nur mal ehrlich: Wer sagt im modernen Russland schon „nein“ zu einem Uniformierten mit Dienstmütze und Schreibblock?

Willkommen im neuen Russland, wo Suchmaschinen zur Beweismaschine werden. Heute klickst du aus Versehen auf einen Songtext, morgen erklärt dich das Register des Justizministeriums offiziell zum Extremisten. Und übermorgen gibt’s dann einen Kurs: „Wie man im Internet nichts findet – und trotzdem schuldig ist.“