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Zürich und die große Laubschlacht

Es gibt Abstimmungen, bei denen es um Milliarden geht. Um Renten, Steuern oder den Bau von Flughäfen. Und dann gibt es Zürich – wo die Bürgerinnen und Bürger heute entscheiden, ob der Laubbläser künftig als Werkzeug oder als Waffe gilt.

Das Brüllen der Maschinen

Das Brüllen der Maschinen

Kaum ein anderes Gerät spaltet die Gesellschaft so sehr wie der Laubbläser. Für die einen ist er Symbol für moderne Stadthygiene – für die anderen klingt er wie ein kaputter Föhn, der den Herbst anschreit. Zürich klagt: Die Geräte machen nicht nur Lärm, sondern wirbeln auch Feinstaub und Bakterien auf. Angeblich sogar Viren aus Hundekot. Heißt: Wer bisher dachte, das einzig Gefährliche am Laub sei das Ausrutschen, erfährt jetzt: Nein, es ist die biologische Kriegsführung auf mikroskopischer Ebene.

Im städtischen Merkblatt steht ernsthaft: „Boden befeuchten oder Atemschutz tragen.“ Zürich empfiehlt also quasi, beim Blättersammeln wie ein Laborant in der Quarantänestation aufzutreten.

Kampf dem Ganzjahres-Gebläse

Die Pläne sind klar: Benzinbetriebene Geräte sollen weg. Nur noch elektrisch, und auch nur im Herbst. Von Oktober bis Dezember darf geblasen werden – danach herrscht wieder Stille. Ausnahmefälle natürlich vorbehalten, etwa wenn ein besonders rebellisches Blatt im März unbedingt auf dem Gehweg liegen bleiben will.

Damit wäre der Laubbläser von einem Allwetter-Krawallmacher zu einem saisonalen Event degradiert: ein bisschen wie Fasnacht, nur ohne Kostüme – und mit mehr Ohrenschmerzen.

Die Öko-Fraktion schlägt Alarm

Laub sei nicht nur Müll, sagen die Naturfreunde, sondern „Lebensraum“. Für Igel, Raupen und alles, was gern zwischen nassem Herbstlaub herumlümmelt. Jeder Laubbläserangriff ist also gleichzeitig ein Terroranschlag auf die Artenvielfalt. Ein Igel, der im Vorgarten friedlich döst, findet sich Sekunden später obdachlos wieder – Opfer eines städtischen Großreinemachers.

Die Maschine, die früher den Bürgersteig säuberte, wird so zum ökologischen Räumkommando.

Widerstand aus der „Frei-blasen“-Fraktion

Doch nicht alle wollen die Bläser in die Schranken weisen. Gegner des Verbots sprechen von „unsinniger Verbotskultur“. Schon heute gibt’s Bußen für übertriebenen Lärm, warum also noch mehr Regeln? Frei nach dem Motto: Wenn ich um sieben Uhr morgens meinen Nachbarn aus dem Schlaf trompete, dann soll das bitteschön mein gutes Recht sein – schließlich haben wir in der Demokratie auch das Grundrecht auf Nervenkrieg.

Für viele ist der Laubbläser eben auch ein Statussymbol: der Porsche unter den Gartengeräten. Warum mühsam mit dem Rechen bücken, wenn man mit 120 Dezibel die Blätter in Richtung Nachbargrundstück pusten kann?

Die Zürcher stimmen heute nicht nur über Lärm, Staub und Bakterien ab, sondern über die Grundfrage: Braucht eine moderne Stadt mehr Ruhe – oder mehr Blasdruck?

Während die einen von einer saubereren, leiseren, ökologischeren Zukunft träumen, fürchten die anderen das Ende der Schweizer Freiheit, Blätter mit Maschinengewehrlautstärke zu verschieben.

Kurzum: Zürich steht vor der größten Laubschlacht seit Erfindung des Herbstes. Egal wie die Abstimmung ausgeht – die Igel werden es danken, die Gärtner vielleicht verfluchen. Und irgendwo in der Ferne röhrt schon ein letzter, einsamer Laubbläser – wie ein sterbender Dinosaurier im Angesicht der Demokratie.